Mittwoch, Juni 07, 2006

Auf großer Tour

Vor zweieinhalb Wochen kam Jonas zu Besuch und ich bin mit ihm auf Tour gegangen - 2700 Meilen haben wir geschafft, meine grob geschätzte Umrechnung ergibt 5000 km...
Von Savannah aus ging es zunächst zu David (einem Freund von Jonas) nach Raleigh, North Carolina, wo Jonas die Erfahrung machen mußte, daß man auch mit 25 kein Bier kriegt, wenn man keine ID vorweisen kann. Die Cola war aber sicher genauso lecker... ;-) Die Stadt gehört sicher nicht zu den "Must-sees" der Ostküste, verschlafen ist schon ein Kompliment...

Von dort aus sind wir dann nach Washington, D.C. gefahren, von Amerikanern auch gerne nur DC genannt. Das zweite Abenteuer nach dem Innenstadtverkehr war die Hotelparkplatz im Hinterhof, zu dem nur zwei sehr schmale Gassen führten, von denen eine obendrein noch blockiert war, aber immerhin war das Hotel zentral genug, um am Nachmittag/Abend noch die Touristenstationen abzuklappern:

- White House (auch nicht viel mehr zu sehen als bei anderen weiß angestrichenen Häusern)

- The National Christmas Tree (irgendwann wurde aus ökonomischen, ökologischen oder ideologischen Gründen beschlossen, nicht jedes Jahr einen Baum zum Weißen Haus zu fahren und nach Weihnachten wieder zu entsorgen, sondern einen eine Fichte zu pflanzen und diese jedes Jahr zu schmücken. Leider (?) war er im Sommer allerdings ungeschmückt.)

- Washington Memorial, Lincoln Memorial, Reflecting Pool und Capitol und das Smithsonian Castle, die alle entlang einer Allee/Rasenfläche liegen, eine schöne Strecke, an deren Ende es schon dunkel war.

Als wir am nächsten Tag Richtung Norden gefahren sind, haben wir noch einen Abstecher über die Amish People in Intercourse gemacht. Es ist sicher eine sehr interessante Kultur/Religion/ Gemeinschaft, leider gab es aber neben der mangelnden Zeit einen negativen Faktor: Die Amish werden (sicher gegen ihren Willen) touristisch ausgeschlachtet, überall sind Hotels, Quilts werden verkauft, es gibt Führungen durch verlassene Farmen, Kutschfahren in den typischen Kutschen, ein Tourismusbüro, das sich darauf spezialisiert hat, ... Natürlich sollte man sich nicht beschweren, wenn man selbst Tourist ist, aber es hat das Bild vom einfachen Leben der Amish doch sehr getrübt.
Später sind wir irgendwo im Norden des States New York angekommen, in einer schönen, grünen Pampa um Freunde von Jonas Familie zu besuchen und dort einige Tage zu verbringen. Familie Maddey, unsere Gastgeber, hatten ein halbes Familientreffen daraus gemacht, so daß mit kleinen Kindern und vielen Erwachsenen immer viel Wirbel war.
Erklärte Highlights des Standortes war eine Wandertour zu einem Wasserfall, ein Einkaufsbummel in einer Töpferei und die nächtliche Suche nach drei verschiedenen Arten von Fröschen im Garten, die so viel Krach machten, daß - ohne Übertreibung - die Ohren dröhnten.


Nach so viel Natur fühlten wir uns dann gestärkt für das Hauptziel der Reise: New York City!
Nach einigen grauen Haare mehr aufgrund des Verkehrs von Manhattan und der Suche nach der richtigen Adresse, und erfolgreicher Parkplatzsuche, erreichten wir die große Wohnung von Freunden, deren Krönung die riesige Dachterasse war, auf dem man herrlich essen konnte.
Von den möglichen "typischen" Touristenattraktionen haben wir die meisten abgeklappert:

- Time Square, ein einziges beeindruckendes Geblinke, bei dem sogar vermeintlich seriöse Unternehmen wie die Bank of America nicht fehlen darf und an dem Spielzeugläden ihr eigenes Riesenrad im Haus haben, das über drei Etagen geht.

- Rockefeller Center, eines der wohl häßlichsten bekannten Gebäude dieser Welt, das aber einen ganz netten Platz vor dem Eingang hat und eine der wohl teuersten Bars. Es war ein Geheimtip für einen Blick über New York, dort ein Bier zu trinken. Wir haben in Ermangelung des nötigen Dress Codes darauf verzichtet, aber später erfahren, daß man für zwei Bier etwa 25 Dollar rechnen muß.

- Empire State Building bei Nacht, ein wirklich grandioser Blick. Besonders witzig ist es, den Time Square zu erahnen, da er die unliegenden extrem stark anstrahlt. Das Beste daran, auf dem empire State Building bei Nacht zu sein, ist, daß man dann das Empire State Building nicht sieht, das extrem scheußlich in blau, weiß, rot angestrahlt wird.

- Brooklyn Bridge mit tollen Blick auf die Südspitze. Da wir ungefähr fünf Stunden für die Fähren mit dem klassischen Blick hätten anstehen müssen und uns die Zeit zu schade war, sind wir stattdessen auf die Brooklyn Bridge gelaufen, deren Blick ebenfalls wahnsinnig beeindruckend war. Und obendrein ist die Brücke an sich schon schön, erinnerte mich ein wenig an die Towerbridge, mit dicken Pfeilern und Stahlstreben. Sehr empfehlenswert auf jeden Fall.

- Ground Zero ist beeindruckend, wenn man darauf zu läuft, weil man erahnt, daß in dem riesigen Loch zwischen all den Wolkenkratzern auch mal ein großer Gebäudekomplex stand. Wenn man allerdings davor steht, sieht man nicht mehr, als eine große, unäufgeräumte Baustelle, viel Erde und Touristen, die die vielen Tafeln durchlesen.

- World Financial Center, das sich direkt an den Ground Zero anschließt, mit einem "Wintergarten", in dem große Palmen stehen und von dem aus man auf die Promenade um die Südspitze kommt, die nett ist und von der aus man die Freiheitsstatur sieht.

- Statue of Liberty. Wer schon mal vor der Kleinen Meerjungfrau in Kopenhagen gestanden hat und enttäuscht war, wie klein sie ist, wird ein ähnliches Gefühl bei der Freiheitsstatur bekommen. Es gibt spannendere Dinge.

- SoHo ist das Künstlerviertel, mit schönen, markanten, renovierten Häusern, die sich durch Feuerleitern auszeichnen. Wenn ein Viertel an Europa erinnert, würde ich sagen, es ist SoHo. Die Preise in den kleinen Läden und Boutiquen sind hoch und ich wurde von der Angestellten in einem Laden ziemlich herablassend gemustert, als ich in kurzen Hosen reinkam. Sie ahnte wohl schon, daß es mal wieder so ein Touri ist, der sicher keine 200 Dollar für eine Hose ausgeben will.

- Little Italy und Chinatown muß man wohl zusammenziehen. Man geht nach Chinatown rein, läuft durch sehr viele verlockende Obst- und Fischstände und Touristenramsch (einer kam uns sogar mit einer gerade gekauften kleinen Schildkröte entgegen). Und schlagartig sieht man italienische Restaurants. Zwei Häuser weiter sind aber wieder ein paar Chinesen mit ihrem Ständen, weitere drei Häuser weiter sind wieder Italiener. Mit anderen Worten, beide Stadtteile sind kaum noch zu trennen, bilden aber eine komplett andere Welt, etwas dreckiger, viel kleiner und noch viel überlaufener und chaotischer.

- Broadway Musical haben wir uns sogar auch geleistet. Vorsichtshalber sind wir beim Klassiker "Phantom of the Opera" geblieben. Die Vorstellung war - wie seit Jahren immer - ausverkauft, die Zahl der Photoapparate in der Pause hat deutlich gezeigt, daß es sicher nicht bloß Einheimische waren... Wie erwartet, war es an Schmalz und Kitsch kaum zu übertreffen, die Effekte waren aber sehr geschickt gemacht, besonders, da sie sehr viel mit Vorhängen gearbeitet haben. Was aber auch sehr schön war, war das Theater, das von außen sehr schäbig aussah, von innen aber schön alt und verziert war und für die richtige Athmosphäre gesorgt hat.

- Trump Tower ist ein schwarzes Hochhaus mit (mindestens) zwei Besonderheiten: Es wachsen Bäume seitlich auf dem Gebäude, da extra Stufen dafür angebracht wurden. Schwer zu erklären, vielleicht sieht man es ja auf dem Bild etwas. Und im Inneren verläuft ein Wasserfall über zwei oder drei Stockwerke. Etwas sehr protzig das Ding, mit viel Gold innen.

- Crysler Building ist mein "Lieblingshochhaus", da es diese bekannte und interessante Spitze hat, die auch bei Nacht beleuchtet wird.

- Grand Central Station ist im Prinzip nur ein großer Bahnhof aber ein recht alter mit einer riesigen Halle, die schön ist. Man muß ihn nicht unbedingt gezielt ansteuern, aber wenn man in der Gegend ist, lohnt es sich, mal reinzugucken.

- Flatiron Building. Man kommt aus der U-Bahn, dreht sich um und sieht ein extrem flaches Gebäude. Der Effekt ist echt witzig, man muß sich unwillkürlich vorstellen, die eng die Räume da drin wohl sein müssen. Und überlegt, ob das ganze Gebäude nicht bloß eine große Fatamorgana ist.



- Metropolitan Museum of Arts, war eigentlich nur ein Notlösung, da wir ins MoMA wollten, das aber dummerweise Dienstags geschlossen hat. Der erste Scherz ist am Eingang: Es gibt ein Schild auf dem Eintrittspreise stehen. Diese Preise sind allerdings nur eine Empfehlung, man wird an der Kasse gefragt, ob der Preis in Ordnung ist, ob man das bezahlen kann und will. Wahrscheinlich bauen sie darauf, daß einige Leute noch eine kleine Extra-Spende ergänzen und möglichst vielen Leuten es peinlich ist, weniger zu zahlen. Ansonsten ist es ein schönes Museum mit Kunst aus allen Richtungen und einer schönen Dachterrasse, die zum Kaffeetrinken in der Sonne einläd - so lange man die Wärme erträgt. Das Krokodil ist übrigens mit scharfen und spitzen Gegenständen gespickt, die bei Sicherheitskontrollen einkassiert wurden und "Nothing to see here" tituliert.

- Wall Street mit Börse, ist eigentlich falsch, denn die Börse liegt nicht auf der Wall Street, die selbst nur eine schmale Gasse ist und am Sonntag/Feiertag recht unspektakulär war. Vielleicht ist es anders, wenn man werktags die Börsianer sieht. Viel witziger fand ich eine Kirche die mitten zwischen den Wolkenkratzern ihren Turm in die Höhe streckt und ihr grüner Friedhof den Abgasen trotzt. Die Parkplatzpreise im südlichen Mannhattan sind im übrigen unglaublich: Wer bitte zahlt für 5 Stunden über 50$? Oder 15$ für eine halbe Stunde?

- Central Park ist die grüne Lunge und dringend notwenig als Rückzugsgebiet. Kaum taucht man in den Park ein, hört man kaum noch etwas vom Stadt- und Verkehrslärm, die Vögel singen und das Einzige, was einen daran erinnert, in New York zu sein, sind die Wolkenkratzer, die über den Baumkronen zu sehen sind.

Irgendwann mußten wir uns dann aber doch von New York losreissen und nach Charlottesville fahren, wo wir wieder bei David bleiben konnten, der dort seinen PhD (Doktor) macht. Charlottesville hat das, was wir hier in Savannah vermissen: Eine Hauptstraße mit vielen netten Cafés, wo man abends noch draußen sitzen und ein Bier trinken kann, während man die mild-warme Abendluft genießt. Ein schöner Ort mit einer der ältesten staatlichen Universitäten der USA, bei der es ein Privileg ist, auf dem Campus zu wohnen, wo man in großen Duschräumen duschen muß, da es im Zimmer kein Bad gibt, da nichts verändert wurde.
Mit David sind wir dann ein Stück durch den Shenandoah Nationalpark gefahren und gewandert sind, ein schöner Park, mit Blick auf kleine Berge, die im Dunst blau wirken, die Blue Ridge Mountains. Nach einer bei der Wärme sehr anstrengenden Kletterpartie haben wir dann ein Picknick auf einem großen Felsen gemacht und eine Klapperschlange beobachtet, die aber eher scheu war und sich unter Steinen versteckte.
Später sind wir dann weitergefahren, haben in Roanoke übernachtet, sind noch ein Stück den Blue Ridge Parkway gefahren, die ähnlich ist, wie der Nationalpark und am nächsten Tag noch einige Wandertouren gemacht, unter anderem zum Hanging Rock, im strömenden Regen leider, aber es war trotzdem schön da oben.
Nach einer ungeheuer anstregenden Fahrt durch drei Stunden Thunderstorm sind wir dann schließlich nach Savannah zurückgekehrt.

Es war eine sehr schöne Tour, bei der wir viel gesehen haben.